Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte verzögert sich
Falsche Daten und Softwarefehler führen zum Chaos bei der anstehenden Umstellung des Lohnsteuerabzugsverfahrens.
Die geplante Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM), die ab dem 1. Januar 2012 die bisherige Lohnsteuerkarte ersetzen sollten, wird sich um mehrere Monate verzögern. Als möglicher neuer Starttermin ist nun der April 2012 im Gespräch, allerdings ist der tatsächliche Termin bis jetzt ebenso unsicher wie die genaue Vorgehensweise für die Übergangszeit. Auch die bei den Finanzämtern gespeicherten Lohnsteuermerkmale für die Arbeitnehmer sind noch in vielen Fällen fehlerhaft. Das zeigen die Schreiben mit den gespeicherten Daten, die die Arbeitnehmer in den letzten Wochen vom Finanzamt erhalten haben.
Bisher gibt es zur ELStAM-Einführung von offizieller Seite nur eine recht magere Meldung des Bundesfinanzministeriums: Am 31. Oktober teilte das Ministerium mit, dass sich die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte auf Grund von Verzögerungen bei der technischen Erprobung des Abrufverfahrens verschieben wird. Bund und Länder würden daher einen neuen Termin und die weitere Vorgehensweise für den Start abstimmen.
Drei Wochen später gibt es allerdings immer noch keine weiteren Angaben, wann genau das neue Verfahren nun starten soll und wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Zwischenzeit verfahren sollen. Der Deutsche Steuerberaterverband spricht sich daher gegen Überlegungen aus, den Start von ELStAM nur um wenige Monate zu verlegen und plädiert für eine Verschiebung um ein Jahr auf 2013.
Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass sich die Finanzverwaltung auf einen Start des neuen Verfahrens zum 1. April 2012 festlegen wird. In diesem Fall müssten die Arbeitgeber die Lohnabrechnungen in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres weiterhin auf der Grundlage der Lohnsteuerkarte 2010 machen, um dann im April den Lohnsteuerabzug für alle Arbeitnehmer auf der Grundlage der neuen Daten zu korrigieren - was voraussichtlich mit entsprechend viel Aufwand für die Arbeitgeber verbunden ist.
Wenn sich die für den Lohnsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geändert haben, können Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber auch das ELStAM-Informationsschreiben für den Lohnsteuerabzug zur Verfügung stellen. Das teilt das Sächsische Finanzministerium in einer Pressemitteilung mit. Arbeitnehmer, die eine Korrektur der ELStAM-Daten veranlasst haben, sollen demnach noch im Dezember 2011 ein korrigiertes Schreiben erhalten.
Wird stattdessen weiterhin die Lohnsteuerkarte 2010 verwendet, kann es zu gravierenden Steuernachzahlungen kommen, wenn ein jetzt noch auf der Lohnsteuerkarte eingetragener Freibetrag für 2012 nicht neu beantragt wurde oder weggefallen ist. Der Freibetrag wird dann nämlich vorerst weiter berücksichtigt, die zu wenig einbehaltene Lohnsteuer wird dann aber mit der Umstellung auf das neue Verfahren fällig.
Den Freibetrag für ein Jahr können Arbeitnehmer übrigens bis zum 30. November des laufenden Jahres beantragen. Auch wer also jetzt vergisst, einen Antrag für 2012 zu stellen, hat noch fast das ganze Jahr 2012 die Möglichkeit, sich einen Freibetrag eintragen zu lassen. Für 2011 endet die Möglichkeit, einen Freibetrag zu beantragen, entsprechend mit dem 30. November 2011.
Auch wenn die Finanzverwaltung die Verzögerung in erster Linie mit Softwareproblemen bei der Datenschnittstelle für die Arbeitgeber begründet, gibt es noch ein weiteres Problem bei ELStAM: Mittlerweile hat ein Gutteil der Arbeitnehmer vom Finanzamt ein Schreiben mit den ab 2012 für sie gültigen Lohnsteuerabzugsmerkmalen erhalten. Dabei hat sich gezeigt, dass in vielen Fällen die derzeit beim Finanzamt gespeicherten Lohnsteuermerkmale nicht korrekt sind. Die Betroffenen müssen dann aktiv werden und bei ihrem Finanzamt eine Korrektur beantragen.
Besonders häufig gibt es Probleme mit der Steuerklasse bei Ehepaaren, die bisher die Steuerklassen III und V hatten. Oft ist jetzt bei beiden Ehegatten die Steuerklasse IV gespeichert. Auch bei der Anzahl der Kinderfreibeträge und den Angaben für den Kirchensteuerabzug wurden häufiger Fehler gemeldet. Weil die Finanzämter inzwischen mit Korrekturanträgen überflutet werden und der Versand der Schreiben an die Arbeitnehmer noch nicht einmal abgeschlossen ist, besteht durchaus die Möglichkeit, dass auch der nächste ELStAM-Starttermin nicht gehalten werden kann, weil die Finanzämter mit der Bearbeitung der Korrekturen nicht nachkommen.
Eine Redensart sagt, dass man aus Fehlern klug wird. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass es eine Ausnahme gibt, die diese Regel bestätigt: Es gelingt der deutschen Verwaltung beim besten Willen nicht, ein großes IT-Projekt fehlerfrei zum anvisierten Starttermin umzusetzen. Die Beispiele dafür sind mittlerweile Legion - von der Einführung der Lkw-Maut über die Steueridentnummer bis zum jetzt wieder abgeschafften ELENA.
Angesichts dieser Bilanz fragt man sich, was die Verantwortlichen in der Finanzverwaltung wohl geritten haben muss, als sie noch bis Ende Oktober von einer reibungslosen Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte (ELStAM) ausgegangen sind. Man hätte jedenfalls viel Chaos vermeiden und die Nerven aller Beteiligter schonen können, wenn man in der Finanzverwaltung früher auf die offenbar doch recht gravierenden Probleme reagiert hätte.
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